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Perspektiven für Tibet

 

Bonn, 19. und 20.06.1999:

Anläßlich gleich dreier Jubiläen - 50 Jahre Chinesischer Okkupation in Tibet, 40 Jahre Widerstand und zehnjähriges Bestehen der Tibet Initiative Deutschland e.V. hatte sich die Hilfsorganisation vergangenes Wochenende ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm vorgenommen. Neben einem großen Benefizkonzert an der Bonner Museumsmeile und dem anschließenden symbolischen Lichtermeer auf dem Rhein mit 12000 Kerzen in Gedenken der Opfer, wurde am Sonntag die Veranstaltungsreihe mit einem Vortrag seiner Heiligkeit, des Dalai Lama in der Hardtberghalle beendet.

Den Auftakt bildete jedoch eine Tibet-Konferenz im Maritim-Hotel mit dem Thema "Perspektiven für Tibet", bei der der Dalai Lama einen Bogen von den geschichtlichen Ereignissen, persönlichen Erfahrungen bis hin zu seinen Vorstellungen über ein autonomes Tibet spann. Die Annektion Tibets durch die Volksrepublik China im Jahre 1950 führte zu einem bis heute anhaltenden schleichenden Tod auf dem "Dach der Welt". Infolge des überraschenden Einfalls der Volksbefreiungsarmee wurde dem damals 15jährigen Tenzin Gyatso die volle Staatsgewalt übertragen. In der Folgezeit versuchte der Dalai Lama ein umfangreiches Reformprogramm zu realisieren, das die veraltete Feudalstruktur ablösen sollte. Doch die neuen Machthaber verhinderten seine politische Einflußnahme. Im März 1959 eskalierten die Ereignisse in Lhasa und der Dalai Lama flüchtete in einer Nacht- und Nebelaktion nach Indien. Trotz der seit der Invasion unter den Tibetern zu beklagenden 1,2 Millionen Opfer, hält der Friedensnobelpreisträger an seiner Philosophie der Gewaltlosigkeit fest.

Der Dalai Lama bedankt sich beim Publikum für das große Engagement und den Enthusiasmus der Deutschen für ein freies Tibet. Gleichzeitig erinnert er aber auch, daß Enthusiasmus und Hingabe nicht wie im Westen üblich von kurzer Dauer, sondern ein langfristiges Interesse erfordern. Er selbst habe trotz aller Rückschläge in den letzten 40 Jahren niemals aufgegeben sich für ein freies Tibet einzusetzen. Und so mußte auch er seine Strategien gegenüber den kommunistischen Machthabern ständig überdenken und auch korrigieren. Eindringlich verweist er auf seinen Weg der Mitte. Während in den 80er Jahren sein primäres Ziel die vollständige Unabhängigkeit Tibets gewesen sei, steht heute die Autonomie Tibets zur Lösung des Konfliktes zur Debatte. Hierunter versteht er ein selbstbestimmtes, autonomes Tibet unter dem Dach der Volksrepublik China. Nicht ein einseitiger Sieg, sondern gegenseitiger Nutzen könne der Anfang freundschaftlicher Beziehungen sein. Doch leider kamen nach dem Abbruch des Dialoges seitens der chinesischen Regierung im Herbst letzten Jahres keine neuen Kontakte zustande. Gerade hierbei könne der Westen für das tibetische Volk eine hilfreiche Rolle spielen. Ein autonomes Tibet hätte, so der Dalai Lama, auch für die umliegenden Staaten große Vorteile. Man müsse nur an die immer wieder auflodernden Konflikte zwischen Indien, China und Pakistan denken. Tibet könnte hierbei eine entmilitarisierte Friedenszone zwischen den Kontrahenten Indien und China bilden. Gleichzeitig müsse eine Wiederherstellung des ökologischen Gleichgewichts schnellstens in Angriff genommen werden. Die wichtigsten Flüsse Indiens, Chinas und Pakistans entspringen dem tibetischen Hochland. Durch die Entsorgung atomarer Abfälle seien diese radioaktiv belastet und stellen auch für andere Völker eine gesundheitliche Gefährdung dar. Tatsächlich scheint derzeit die Bereitschaft Deutschlands zum Dialog mit dem Dalai Lama unter einem besseren Stern zu stehen. Während deutsche Politiker in der Vergangenheit nur ungern zur Menschenrechtssituation im Besetzten Tibet Stellung bezogen, scheint sich derzeit ein Wandel zu vollziehen. So empfing Außenminister Fischer den Dalai Lama vergangenen Mittwoch und auch Ministerpräsident Teufel wird ihn heute in Stuttgart empfangen. Bleibt abzuwarten, ob die Bereitschaft zum Dialog auch unter chinesischen Protesten und Androhungen wirtschaftlicher Konsequenzen fortgeführt wird.

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